Swiss Snow Walk & Run - Schneelauf in Arosa

© Swiss Snow Walk & Run
Rund 1.000 Teilnehmer starten jährlich beim „Swiss Snow Walk & Run“ im Schweizer Wintersportort Arosa, der am 12. Januar 2019 zum 15. Mal stattfindet. Der Schneelauf inmitten der Graubündner Bergwelt ist ein einzigartiges Event. Davon überzeugte sich auch ein nordic sports-Redakteur, der im Jahr 2017 auf der „Long Distance“ über 12 Kilometer startete – und sein blaues Wunder erlebte.
Text: Wilfried Spürck
Was hatte ich mir nicht alles vorgenommen! Erstens: durchlaufen, also auch in den Steigungen nicht kapitulieren und bloß nicht zum Wanderer werden! Zweitens: die zwölf Kilometer unter 1:20 Stunden schaffen. Drittens: die beiden ersten Ziele durch eine clevere Renneinteilung erreichen. Also: maßvoll anfangen, in den Flachpassagen nicht überpacen, um die Kraft für die Anstiege zu sparen, und mich dann bergab erholen. Viertens: unterwegs an dem ein oder anderen schönen Streckenpunkt kurz anhalten und mit meinem Handy Fotos machen, um zu Hause die Leute zu beeindrucken und neidisch zu machen. Machen wir es kurz: Nichts von alldem hat geklappt. Der „Swiss Snow Walk & Run“ in Arosa war stärker als ich …
Der Schneeuntergrund auf dem zugefrorenen Obersee, wo alle Rennen starten, die bei diesem Lauf- und Walking-Event in dem von bis zu 3.000 Meter hohen Bergen geradezu eingeschlossenen Ferienort in Graubünden angeboten werden, macht es fast unmöglich, einen Rhythmus zu finden. Mit jedem Schritt sinke ich leicht und unterschiedlich tief ein. Mein Puls dreht vom ersten Meter an auf Hochtouren, mir bleibt die Puste weg. Das kenne ich nicht von meinen Joggingrunden im Park oder von meinen Starts bei den Stadtmarathons in Köln oder Bonn. Zudem ist das Feld mit rund 200 Teilnehmern zwar überschaubar, aber kurz nach dem Start befinde ich mich dennoch mitten im Pulk und muss erst mal das Tempo der Masse mitlaufen.
Eine Art Eierlauf
Sicher bin ich nach mehreren Erkältungen in den letzten Monaten nicht optimal vorbereitet, und die Zeit zur Akklimatisierung an die Höhe (über 1.750 Meter) war sehr kurz. Erst einen Tag zuvor bin ich hier angekommen, bin mit dem Zug aus dem grauen Köln in das rundherum eingeschneite Arosa gereist. Rechtzeitig zu dem seit 2005 ausgetragenen Sport-Event war der Schnee gekommen, der nun am Veranstaltungstag noch so locker und weich ist, dass er das Laufen passagenweise zu einer Art Eierlauf macht, bei dem man einfach keinen Halt findet. Doch es sind auch solche Unwägbarkeiten, die den „Snow Run“ irgendwie so charmant machen.

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Am Abend vorher treffe ich beim Essen im Hotel Peter, einen der circa 100 freiwilligen Helfer. Er hat selbst viel Erfahrung im Organisieren von Sportveranstaltungen. „Es ist wirklich schwierig, so einen Winter-Event zu organisieren. Mal hat’s zu wenig Schnee, mal zu viel“, erzählt er, „und die Sponsoren sind auf die größeren Sommer-Veranstaltungen fokussiert.“ Dennoch trommelt das Organisationskomitee mit seinem Präsidenten Daniel Durrer jährlich ausreichend Werbepartner zusammen, um diesen Schneelauf auf die Beine zu stellen, der in seiner Art einzigartig ist. Auch keiner der vielen Teilnehmer, die ich am Wettkampftag spreche, kann ein vergleichbares Event nennen.
Peter selbst tut seinen Dienst am Gipfel des Weisshorns auf 2.653 Metern, dem Ziel des „Weisshorn Snow Trails“. Dieser 16,8 Kilometer lange Run mit 918 Höhenmetern ist das Highlight unter den angebotenen Distanzen (siehe "Facts" unten). Neben den (Trail-)Läufern sind auch Nordic Walker und Schneeschuh-Geher zugelassen. Ich treffe Peter, völlig durchgefroren nach stundenlangem Außendienst am Zieleinlauf bei bis zu minus 15 Grad, kurz vor 15 Uhr am Weisshorn-Gipfel – allerdings bin ich mit der Seilbahn hochgefahren, um dort noch den Ausblick zu genießen und noch mehr „Snow Run“-Atmosphäre zu schnuppern. Die letzten Nordic Walker werden hier noch erwartet, während die meisten der 375 angemeldeten Läufer ihr Ziel erreicht haben, der Beste in 1:27:45 Stunden: der mehrfache Orientierungslauf-Weltmeister Matthias Kyburz aus der Schweiz. Er war etwa acht Minuten schneller als der letztjährige Sieger, Italiens Berglauf-Weltmeister Marco De Gasperi. Den steilen Schlussanstieg bewältigten fast alle Teilnehmer gehend, zumal es dort keinen Weg mehr gibt. „Das war eine echte Challenge“, sagte der sechstplatzierte Weltklasse-Duathlet Andy Sutz.

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Meine Challenge, die „Long Distance“ über zwölf Kilometer, habe ich rund zwei Stunden vor meinem Besuch am Weisshorn letztlich erfolgreich absolviert. Da bin ich bei etwa minus fünf Grad ins Ziel am Obersee eingelaufen …
Strategie angepasst
Angesichts des dramatisch mühsamen Beginns muss ich meine Strategie und meine Ziele schon kurz nach dem Start anpassen. Knapp ausgedrückt, lautet mein geänderter „Plan“ jetzt: ins Ziel kommen, egal wie! Vom Obersee weg geht es in das Winter-Wanderwegenetz um Arosa hinein, die ersten Steigungen warten. Der Untergrund wird teilweise etwas fester, allmählich komme ich in einen Rhythmus. Ich werde oft überholt, begleitet von heftigem Hecheln und Keuchen der Überholenden. Derweil kämpfe ich mich meinerseits im verschneiten Wald mit viel Umsicht an dem ein oder anderen Nordic Walker vorbei. Als der erste Distanzhinweis kommt und 2,3 Kilometer anzeigt, steigen meine Laune und Zuversicht weiter. Ich werde mutiger. Lasse jetzt sogar gelegentlich einen Mitstreiter stehen und bewältige die Anstiege inklusive einiger Mini-Rampen weiter laufend, wenn auch extrem langsam.
Unterwegs begegnen uns Snowrunnern Wanderer mit ihren Hunden oder Familien mit Kind und Schlitten, an einigen Stellen dürfen wir die Anfeuerung einiger Zuschauer oder Streckenposten genießen. Natürlich gibt es keinen Trubel wie bei einem Stadtmarathon, aber im Start- und Zielbereich kann sich die Stimmung dennoch sehen und hören lassen. Dort sorgen etwa die Schweizer Bacheloretten Frieda Hodel (2015) und Zaklina Djuricic (2016) vor dem Startschuss für ein großes Hallo – und animieren bei zwei Warm-ups die Teilnehmer zu schweißtreibender Action bei Minusgraden.

© Swiss Snow Walk & Run
Meine persönliche Alpe Cermis
Als ich aus dem Wald herauslaufe, nehme ich dreierlei wahr: erstens die herrlich eingeschneite Berglandschaft, zweitens ein Schild, das „1 km bis zur Verpflegungsstelle“ anzeigt, was bedeutet, dass circa 4,5 Kilometer erreicht sind. Und drittens: einen lang gezogenen Anstieg in mehreren Kehren. Die Steigung auf diesem Stück beträgt durchschnittlich annähernd 15 Prozent. Einen Tag vor den Skilanglauf-Profis bei der Tour de Ski in Val di Fiemme habe ich hier meine ganz persönliche Alpe Cermis vor mir …
Tapfer versuche ich, weiter zu laufen – siehe oben, Vorsatz Nummer eins. Indes: Mein Körper, meine Beine wollen nicht mehr. Als ich das Gefühl bekomme, gleich zusammenzuklappen, breche ich, leicht gefrustet, ab. Nun gehe ich doch den Anstieg hoch, als Teil einer langen Prozession aus Walkern, denn vor und hinter mir erblicke ich weit und breit kaum noch einen laufenden Teilnehmer. Das immerhin mindert meinen Frust.
Am Verpflegungsstand an der Tschuggenhütte auf 1.990 Metern gibt’s warmes Wasser und isotonische Getränke sowie nahrhafte Kekse. Das tut gut, und es geht gleich etwas besser. Nur noch 25 Höhenmeter bis zum höchsten Streckenpunkt an der Seilbahn-Mittelstation zum Weisshorn-Gipfel liegen vor mir. Diese strecken sich über rund einen Kilometer, auf dem wir das Pistenskigebiet durchqueren. Achtung, Skilift kreuzt! Dann schlängeln sich einige Skifahrer vorbei. Ein bisschen verrückt das alles! Sympathisch verrückt.
Nach ein paar Hundert Metern erreiche ich den Strecken-Höhepunkt auf 2.015 Metern. Ab jetzt geht’s fast nur noch bergab. Schwungvolll jage ich durch den Schnee, achte dabei aber immer auf meinen Schritt; der teils tiefe Schnee erfordert Konzentration. Doch dank meiner Trailschuhe mit kleinen Spikes rutsche ich nur wenig. Als es kurz vor dem Ziel noch mal so circa 500 Meter recht steil bergauf geht, zeigt mir die Strecke noch mal meine Grenzen auf – wieder muss ich kapitulieren. Was soll’s!
Es folgt ein abschüssiges Stück durch den Wald, ich hefte mich an die Fersen einer Läuferin, die mir die perfekte Linie gefunden zu haben scheint. Abrupt endet das Waldstück – und ich sehe links das nur wenige Meter entfernte Ziel sowie eine kleine Menschenmenge, die das Spektakel am Obersee verfolgt. Ich beschleunige noch mal, so gut ich kann. Als ich die Ziellinie überquere, höre ich durch den Lautsprecher meinen Namen – und fühle mich doch ein bisschen wie ein Held. Etwas mehr als eineinhalb Stunden habe ich gebraucht (genau: 1:33:49 Stunden), rund 40 Minuten mehr als der Sieger. Dankbar nehme ich eine mir an einem Stand angebotene Tasse warme Bouillon und denke mir: Ich muss einfach wieder mehr trainieren, denn der „Weisshorn Snow Trail“ würde mich schon reizen …
Der Artikel stammt aus der nordic sports 2/17.

© Swiss Snow Walk & Run
FACTS ZUM SWISS SNOW WALK & RUN
Ort: Arosa (Schweiz, Kanton: Graubünden)
Höhe: 1.550–1.960 m
Einwohner: ca. 3.000
ENTWICKLUNG
2005: Premiere als reine Walking-Veranstaltung unter dem Namen „Swiss Snow Walking Event“. Teilnehmer: 1.202 aus 4 Ländern. Strecken: Long (12 km) und Short Distance (6 km). Gründer und bis heute Präsident des Organisationskomitees ist der Aroser Hotelier Daniel Durrer.
2009: Erstmals sind Läufer zugelassen. Neuer Name: „Swiss Snow Walk & Run“. Teilnehmerrekord: 1.546 aus 8 Ländern.
2016: Neu: der „Weisshorn Snow Trail“ zum Gipfel des Weisshorns auf 2.653 m.
DISTANZEN
Weisshorn Snow Trail: 16,8 km, 918 Hm. Start: am Obersee auf 1.735 m, Ziel: auf dem Weisshorn-Gipfel auf 2.653 m.
Halbmarathon: 21,1 km, 630 Hm. Start und Ziel: am Obersee.
Long Distance: 12 km, 315 Hm. Start und Ziel: am Obersee.
Short Distance: 6,1 km, 155 Hm. Start und Ziel: am Obersee.
Alle Distanzen für Nordic Walker offen, Short und Long Distance auch für Schneeschuhgeher.
2019, 15. AUSGABE
Termin: 12. Januar 2019
Nachmeldungen noch möglich
Startgebühren: je nach Distanz 43–58 CHF
Tipp zur Anreise: Im Startgeld enthalten ist unter anderem die freie Hin- und Rückfahrt mit der Bahn innerhalb der Schweiz. Ab Chur fahren Züge der Rätischen Bahn nach Arosa.
Infos: snowwalkrun.ch/web
E-Mail: info@snowwalkrun.ch